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Fortgeschrittene Yogapraktiken
Tantra-Lektionen

Lektion T1 - Was ist Tantra Yoga?

Von: Yogani
Datum: Sonntag 25.01.2004 - 15:44 Uhr

Neue Besucher: Es wird empfohlen, das Archiv der Fortgeschrittene Yogapraktiken-Hauptgruppe von Anfang an zu lesen, da die vorherigen Lektionen Voraussetzung für diese Lektion sind. Die erste Lektion lautet: "Warum diese Erörterung?"

Es ist schon komisch, wie sich eine bestimmte Sichtweise herauskristallisiert hat, seit sich Tantra Yoga in den Mainstream unserer modernen Gesellschaft eingeschlichen hat. Die meisten Menschen denken heute, dass es beim Tantra um Sex geht - besseren Sex, ekstatischeren Sex, mehr "spirituellen Sex". Der Ruf des Tantra ist also: "Sex, Sex, Sex!" Haben wir einen einspurigen Verstand, oder wie? Es ist nur natürlich. Für die meisten von uns liegt die größte Erfahrung ihres Lebens im Sexualakt, vor allem in der überwältigenden Freude des Orgasmus. Kein Wunder also, dass wir eine Kultur sind, die von Sex besessen ist - mal dafür, mal dagegen, aber immer in Ehrfurcht davor. Wir alle wissen, dass Sex uns irgendwie mit einer größeren Dimension dessen verbindet, was wir sind. Es ist eine Tatsache, dass Sex uns in der Liebe, in der Familie und letztlich auch im spirituellen Leben verbindet. Deshalb sind wir natürlich besessen von Sex. Es ist die Wurzel von allem, was wir sind. Es definiert uns. Eine tiefe Sehnsucht, die wir alle haben, ist es, dauerhaft mit der Ekstase zu verschmelzen, die in diesem Ding namens "Sex" steckt.

Um das ultimative Mysterium des Sex zu entschlüsseln, ist es ratsam, es in einem größeren Rahmen zu betrachten. Hier kommt Tantra ins Spiel.

Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass es beim Tantra hauptsächlich um Meditation, Pranayama, Bandhas, Mudras und Asanas geht? All die Dinge, über die wir in den fortgeschrittenen Yogapraktiken gesprochen haben. Es stimmt, dass es im Tantra hauptsächlich um diese Dinge geht. Ja, es geht auch um Sex, wie wir in den Lektionen der Hauptgruppe schon früh festgestellt haben. Wir haben das Thema Sex nicht umgangen, da es mit dem gesamten Erleuchtungsprozess zusammenhängt. Tatsächlich ist Erleuchtung nicht möglich, wenn unsere Sexualität nicht in den Prozess des Yoga einbezogen wird - den Prozess der Vereinigung zwischen unserem inneren göttlichen Selbst und der äußeren Welt. Um unser Nervensystem in diese Richtung zu kultivieren, muss die Rolle der sexuellen Energie angesprochen werden.

Tantra bedeutet "miteinander verwoben" oder "zwei Füllen als eine". Im Grunde bedeutet es dasselbe wie Yoga, nur mit einer zusätzlichen Portion Intimität. Tantra erkennt von Anfang an, dass es zwei Pole gibt, die ekstatisch verschmolzen werden müssen, damit Erleuchtung stattfinden kann - Vater Himmel und Mutter Erde, männliche und weibliche Energien, Shiva und Shakti, Yin und Yang - und dass diese beiden Pole in uns, in unserem Nervensystem, enthalten sind. Wir haben dies bereits in den Lektionen der fortgeschrittenen Yogapraktiken unter verschiedenen praktischen Gesichtspunkten erörtert.

Tantra Yoga ist das umfassendste aller Yogasysteme, die das Leben als zwei Realitäten betrachten, die im menschlichen Nervensystem verbunden werden. Zum Tantra Yoga gehören Mantra Yoga, Kundalini Yoga, Hatha Yoga, Ashtanga (acht Glieder) Yoga und andere. Die Praktiken dieser traditionellen Yogasysteme bilden die sogenannte "rechtshändige" Seite des Tantra-Yoga. Dann gibt es noch die "linkshändige" Seite des Tantra-Yoga, bei der es darum geht, reines Glückseligkeitsbewusstsein in die Genüsse des sinnlichen Lebens in der materiellen Welt einfließen zu lassen. Die linkshändige Seite ist nicht gegen sinnliche Genüsse. Im Gegenteil, sie nutzt sie für spirituelle Zwecke. Die linkshändige Seite ist sozusagen die Schattenseite des Yoga, der Teil, von dem sich aufrechte Bürgerinnen und Bürger fernhalten sollen. Das ist jedenfalls die traditionelle Sichtweise. Das war, bevor die "hippe Generation" das Tantra für sich entdeckte. Jetzt ist es respektabel, linkshändiges Tantra zu praktizieren. Zumindest im Westen ist es das. Vielleicht haben die Menschen im Westen nichts zu verlieren, da sie ohnehin schon so sehr in das materielle Leben eingetaucht sind. Warum nicht die spirituelle Seite in das materielle Leben einbringen? Lasst uns unseren Kuchen haben und ihn auch essen. Das ist linkshändiges Tantra, wie es im Buche steht.

In den Lektionen hier werden wir uns also das linkshändige Tantra im Zusammenhang mit sexuellen Methoden genauer ansehen. Du wirst feststellen, dass wir an Dinge anknüpfen, die wir bereits in der Hauptgruppe besprochen haben. Dort haben wir uns ausführlich mit der Kundalini ("ein Codewort für Sex") beschäftigt und damit begonnen, die sexuelle Energie mit wichtigen fortgeschrittenen Yogapraktiken wie Mulabandha, Sambhavi, Siddhasana und Yoni Mudra Kumbhaka nach oben ins Nervensystem zu stimulieren. All diese übungen wurden schrittweise und je nach unserer Kapazität in die zweimal täglich stattfindende Routine aufgenommen.

Alles, was wir bisher gemacht haben, war von der Wurzel an aufwärts, oberhalb von Siddhasana, also der systematischen Stimulation des Dammes. Jetzt werden wir sozusagen unter Siddhasana gehen. Das ist notwendig. Denn wenn wir die gewaltigen Pranaströme, die beim Sexualakt entstehen, nicht in den Griff bekommen, kann es sein, dass wir in unserem Nervensystem nur begrenzte spirituelle Leistungen erbringen können. Das bedeutet nicht, dass wir das gefürchtete "Z"-Wort (Zölibat) in die Waagschale werfen müssen. Es bedeutet aber, dass wir einige intelligente Methoden in Betracht ziehen sollten, um unsere sexuellen Aktivitäten besser mit unseren spirituellen Bestrebungen in Einklang zu bringen. Du wirst vielleicht überrascht sein, dass intelligenter spiritueller Sex viel mehr Spaß machen kann als der gewöhnliche Sex, der manchmal mit den Worten "Ratz, fatz, danke Schatz" beschrieben wird.

Also, lass uns loslegen.

Der Guru ist in dir.

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