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Lektion 325 - Beziehungsvolle und nicht-beziehungsvolle Selbstbegründung

Von: Yogani
Datum: 27.04.2009

Neue Besucher: Es wird empfohlen, das Archiv von Anfang an zu lesen, da die vorherigen Lektionen Voraussetzung für diese Lektion sind. Die erste Lektion lautet: "Warum diese Erörterung?"

In ihrer reinsten Form vertritt die Selbstergründung den Standpunkt, dass nichts existiert. Es gibt nur das bedingungslose Gewahrsein, und alles in Zeit und Raum ist eine Projektion von Dem, und das ganze Leben ist eine Illusion, wie ein Film, der auf die Leinwand unseres Gewahrseins projiziert wird. Unsere Wahrnehmung der materiellen Realität wird durch unsere Identifikation mit dem Wahrgenommenen verursacht. Wie in den vorherigen Lektionen erörtert, ist der Zeuge das Bewusstsein, das unabhängig von allen Objekten ist, die wir wahrnehmen. Dennoch koexistiert der Zeuge mit Objekten, wie jeder weiß, der eine Zeit lang täglich Tiefenmeditation praktiziert. Wir können diese Beziehung beschreiben, auch wenn sie jenseits aller Beschreibungen liegt. Es ist ein Rätsel. Hinter das Rätsel zu kommen, ist, wie wir sehen werden, der Schlüssel zu einer effektiven Selbstergründung.

Die Koexistenz des Zeugen mit den Objekten wird von denjenigen, die sich mit den kompromisslosesten Formen der Selbstergründung befassen, im Allgemeinen nicht akzeptiert, selbst wenn sie sich mit Objekten befassen und alltäglichen Aktivitäten nachgehen, die vom Banalen bis zum Komplexen reichen. Ihre Behauptung ist, dass es keine Objekte gibt. In kompromisslosen Ansätzen der Selbstergründung werden wir dazu angehalten, das Leben loszulassen und in Dem zu verweilen, was hinter der Illusion liegt. Uns wird gesagt: "Sei die leere Leinwand hinter dem Film."

Das ist alles schön und gut. Es ist die Wahrheit. Wir sind Das, und alle Objekte sind Projektionen von Dem. Allerdings ist diese Art des Denkens eben nur Denken, wenn kein beständiger Zeuge anwesend ist, während solche Konzepte durchgespielt werden. Und genau hier liegt das Problem, ein Fehler in der tadellosen Logik der reinen, kompromisslosen Selbstergründung.

Die Prämisse ist, dass, wenn man sich lange genug mit dieser Art von Logik beschäftigt, das daraus resultierende Loslassen schließlich zur Verwirklichung führt und zur Erkenntnis dessen, was jenseits des Spiels in Zeit und Raum liegt, von dem man annimmt, dass es keinerlei Realität hat. Diese "Verwirklichung" kann sofort erfolgen. So wird es gesagt.

Es gibt eine Inkonsistenz in diesem Ansatz. Nicht für alle, aber für einen großen Prozentsatz der Bevölkerung. Das Problem ist, dass diese Art der Selbstergründung für diejenigen, die noch keine beständige innere Stille (den Zeugen) kultiviert haben, weitgehend intellektuell ist. Das, was beim Loslassen gesucht wird, ist auch ein Gedankenobjekt im Geist. Es sind also Gedanken über Gedanken. Der Verstand spielt mit seinem Denken. Das kann sehr lange so weitergehen. Apropos Illusion!

Diese Art der Selbstergründung kann zu vielen Schwierigkeiten im Leben führen, zu einer Haltung der Sinnlosigkeit und zum Verlust der Motivation, sich im Leben zu engagieren. Schon allein die Beteuerung der Nicht-Dualität (unmanifestiertes Einssein) und der Nichtexistenz der Dualität (Einssein plus Vielfalt) kann zu einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit führen, wenn man nicht wenigstens einen Hauch von der Sache selbst, dem Zeugen, der Leinwand hinter dem Film des Lebens erfährt. 

Es ist, als würde man einen Vogel, dem noch keine Flügel gewachsen sind, auffordern, vom Dach eines Gebäudes zu springen. Der Vogel mit den voll entwickelten und funktionierenden Flügeln wird dem Vogel mit den unentwickelten Flügeln immer wieder sagen: "Komm schon, du schaffst das. Spring einfach. Mach dir keine Sorgen um die Flügel." 

Ergibt das irgendeinen Sinn? Die Flügel müssen zuerst kommen. Dann können wir fliegen. Es ist an der Zeit, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass es keine einheitliche Größe der Selbstergründung gibt, die für alle passt. Die Selbstergründung nach Kochbuch in Form von mentalen Algorithmen und Formeldenken funktioniert nicht für jeden.

Vielmehr ist Selbstergründung ein Kontinuum, das mit dem Grad der inneren Stille verbunden ist, die wir als bekannte Präsenz in uns erfahren. Es ist der Zeuge. Das ist die eigentliche Sache. Das ist die leere Leinwand hinter dem Film des Lebens. Wenn wir uns von dieser Position aus auf Selbstergründung einlassen, dann haben wir eine Beziehung zwischen dem Bewusstsein (unserem Zeugen) und der Idee. Dann kann es in der Stille zu einer intimen Erkenntnis der durch die Idee vermittelten Realität kommen. Das ist Wissen. 

Wenn wir uns andererseits weitgehend mit unseren Gedanken identifizieren und diese als unser Selbst wahrnehmen, dann interagiert die Idee unserer Gedanken mit der Idee unseres Selbst – zwei Ideen interagieren miteinander. Luftschlösser. In diesem Fall besteht keine intime Beziehung zwischen Bewusstsein und Idee. Es geschieht alles im Geist. 

Es ist wichtig, zwischen diesen beiden Situationen zu unterscheiden und zu erkennen, wie eine natürliche Veränderung eintritt, wenn wir als Zeuge eine echte Beziehung zu unseren Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen der Umgebung aufbauen, was zu einer direkten Erkenntnis dessen führt, wer und was wir sind. Wenn wir Klarheit darüber erlangen, was die Manöver unseres Geistes sind und was unsere wahre Präsenz ist, dann werden wir feststellen, dass wir über die Identifikation mit allen Objekten, einschließlich unserer Gedanken, hinausgehen. Wir werden auch über die mentalen Prozesse der Selbstergründung hinausgehen, was die einzig wahre Selbstergründung ist. Das Verweilen in innerer Stille (dem Zeugen) ist das, was das Denken sofort mit der ersten Frage auflöst, und es ist das, was alle Antworten mit Stille bewohnt. Dies wird natürlich durch die Kultivierung des Zeugen in täglicher Tiefenmeditation ermöglicht.

Um besser einschätzen zu können, wo wir stehen, kann es hilfreich sein, Parameter festzulegen, die beschreiben, wo wir uns in unseren Bemühungen um Selbstergründung befinden. Solche Bestimmungen wären nicht notwendig, wenn alle, die sich auf Selbstergründung einlassen, vom gleichen Standpunkt des inneren Zeugen ausgingen. Dies ist jedoch nicht der Fall, sodass es hilfreich sein kann, einige Unterscheidungen zu treffen. 

Die Wahrheit ist, dass ein Großteil der Selbstergründung, die heutzutage stattfindet, nicht beziehungsvoll ist (d.h. nicht in Gegenwart des Zeugen stattfindet – nicht progressiv ist) und oft kontraproduktiv für den spirituellen Fortschritt, weil sie mentale Ballastschichten hinzufügt, ohne unser ursprüngliches Bewusstsein zu kultivieren. Ironischerweise werden effektive Praktiken wie Tiefenmeditation, die den Zeugen kultivieren, zugunsten eines solch starren Ansatzes, der keine Beziehung zwischen den Objekten der Wahrnehmung und dem Zeugen kultiviert, gemieden. So viel von der heutigen Selbstergründung ist so, und viele stellen dabei fest, dass sie nur mit dem Kopf gegen eine Wand schlagen. Das ist nicht nötig!

Andererseits besteht für die wenigen, die seit ihrer Kindheit bleibende innere Stille haben, eine Beziehung zwischen Ideen, Wahrnehmungen und bedingungslosem Gewahrsein. Selbstergründung ist in diesem Fall beziehungsvoll. Dies sind die "spontan erwachten" Seelen, die uns mit ihrer Einsicht verblüffen und die oft idealisiert und nachgeahmt werden. Sie umgibt ein Hauch von Exklusivität, der ungewollt zu einer Haben und Nicht-Haben Mentalität führen kann. Mitglied in diesem Club zu sein, kann wichtiger werden, als die Erleuchtung zu erlangen. Wir haben es alle schon erlebt, oder nicht? 

Erleuchtung ist kein exklusiver Zustand, der nur wenigen vorbehalten ist, und der Rest von uns ist nicht dazu verdammt, die Anweisung "Sei einfach" nachzuahmen. Nein. Durch Tiefenmeditation und andere Praktiken, die die Kultivierung des Zeugen und vieles mehr fördern, wird die Selbstergründung beziehungsvoll (in der Stille) und die direkte Erkenntnis des Lebens als ein Tanz endloser Freude in der Leere wird für jeden möglich sein.

Mit beziehungsvoller Selbstergründung meinen wir eine fortschreitende und innige Beziehung zwischen Ideen und unserer beständigen inneren Stille. Wenn unsere Gedanken auf natürliche Weise als Objekte wahrgenommen werden, geschieht etwas. Es kommt zu einer Verbindung, und die Idee löst sich zusammen mit ihrer Bedeutung in der Stille auf. Dann erkennen wir ihre Wahrheit. Dasselbe gilt für die Wahrnehmung unserer Gefühle und äußerer Objekte in der Welt. Wenn der Zeuge auftaucht, werden alle unsere Wahrnehmungen im täglichen Leben beziehungsvoll und spirituell weiterführend.

Wenn wir uns beispielsweise die Frage stellen: "Wer bin ich?", und in unsere Stille loslassen, wird die Antwort da sein, nicht als Idee, sondern als Teil in unserer Präsenz. Wir werden wissen, wer wir sind, jenseits der Identifikation mit der Umgebung, unserem Körper, unseren Gedanken und Gefühlen. Wenn wir durch tägliche Tiefenmeditation innere Stille kultiviert haben, wird die Antwort mit der Zeit in zunehmendem Maße da sein, bis schließlich alles, was wir als anders gekannt haben, auf unserem Bewusstseinsfeld wie Wellen auf den unbewegten Tiefen des Ozeans tanzen wird. Dies ist beziehungsvolle Selbstergründung, und sie steht nicht im Widerspruch zum gewöhnlichen Leben. Sie erfüllt das gewöhnliche Leben.

Wenn wir jedoch im Geist ständig "Wer bin ich? Wer bin ich? Wer bin ich? Wer bin ich?!" herunterleiern, die Idee weitertreiben, ohne nennenswerte Stille oder Anwesenheit des Zeugen, ohne Loslassen, dann wird dies eine nicht-beziehungsvolle Selbstergründung sein. Das kann zu viel Frustration und echten Kopfschmerzen führen. Viel besser ist es, all das hinter sich zu lassen, indem wir unsere innere Qualität der Stille entwickeln, in die wir dann leichtgängig loslassen können, wenn wir uns der Selbstergründung widmen. 

In unseren täglichen Aktivitäten und Beziehungen neigen wir vielleicht dazu, das Wesen der Erfahrungen und Interaktionen, denen wir begegnen, zu hinterfragen. Wenn jemand wütend auf uns wird und wir feststellen, dass wir auf die gleiche Weise reagieren, können wir uns fragen: "Gründet mein aufkommender Zorn in der Wahrheit?", und es dann in die Stille loslassen. Wenn wir im Zeugen verweilen, wird die Antwort da sein. Wir werden wissen, dass unsere negativen Reaktionen in unserer Identifikation mit dem Körper-Geist wurzeln, den wir fälschlicherweise als unser Selbst betrachtet haben. Wenn wir uns mit dem Ärger eines anderen identifizieren, neigen wir vielleicht dazu, dies widerzuspiegeln. Aber ist das die Wahrheit? Können wir den Ärger eines anderen nicht genauso einfach mit einer liebevollen Antwort widerspiegeln? Was haben wir zu verlieren, außer dem Ärger selbst? Der bleibende Zeuge gibt uns die Möglichkeit, diese Wahl zu treffen, wo wir früher auf negative Energie nur auf dieselbe Weise reagieren konnten. Der Zeuge versetzt uns in die Lage, eine Wahl zu haben, und wenn wir diese Wahl haben, haben wir die Möglichkeit, den richtigen Weg zu gehen. Das ist der Unterschied zwischen einem Leben in Nicht-Dualität und einem Leben in Dualität. Es ist der Unterschied zwischen beziehungsvoller und nicht-beziehungsvoller Selbstergründung.

So vieles im Leben funktioniert auf der Grundlage von Reflexen, Gewohnheiten und dramatischen Geschichten, die seit langem tief in uns eingegraben sind. Wir ziehen unsere Schlüsse aus jeder Lebenssituation auf der Grundlage dieser Gewohnheiten. Es ist, als wären wir der Held in unserem Drama und alle anderen wären potenzielle Feinde. Das muss nicht so sein. Wenn wir beginnen, die Welt und uns selbst aus der Perspektive unserer eigenen inneren Stille zu sehen, werden wir auch erkennen, dass wir unsere Reaktionen auf Dinge ändern können. Wir werden uns dazu gedrängt fühlen, weil die Wahrheit, die in uns aufsteigt, nicht mit den unwahren Gewohnheiten übereinstimmt, die wir unabsichtlich auf so viele Arten zum Ausdruck gebracht haben. Wir werden ein gewisses Unbehagen verspüren, wenn unser Gewahrsein wächst. Also beginnen wir, andere Entscheidungen darüber zu treffen, wie wir unser Leben wahrnehmen und in der Welt handeln, basierend auf dem, was wir tatsächlich fühlen. Letztendlich ist es das, was unsere Befreiung entfaltet. Diese sich entwickelnde Beziehung zu unseren Gefühlen ist ein wichtiger Teil der beziehungsvollen Selbstergründung.

Wenn wir diesen göttlichen Prozess mit dem Verstand projizieren, wird Anstrengung entstehen. Sobald wir das tun, werden wir feststellen, dass wir in eine beziehungslose Selbstergründung abgleiten und mehr mentale Strukturen aufbauen, als uns vielleicht bewusst ist. Beziehung bedeutet Loslassen. Es bedeutet, unsere natürliche Reinigung und Öffnung zuzulassen. Nicht-Beziehung bedeutet, zu projizieren und an den Ergebnissen festzuhalten, einschließlich des Festhaltens am Loslassen!

Es ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Theorie ist das Nachdenken über das Tun und Praxis ist das Tun selbst. In diesem Fall ist das Tun ein Nicht-Tun. So viel von der Selbstergründung da draußen dreht sich nur um Theorie, um Philosophie. Bei echter Selbstergründung geht es um Praxis, um die Sache selbst, die darin besteht, als Zeuge teilzunehmen und loszulassen.

Warum sollten wir uns mit all diesem beziehungsvollen und nicht-beziehungsvollen Hokuspokus herumschlagen? Es wird empfohlen, sich nicht zu sehr damit zu beschäftigen. Wir wollen uns nicht zu viel mentales Gepäck aufladen. Sei dir nur bewusst, dass es bei der Selbstergründung nicht darum geht, etwas zu tun, zu projizieren oder zu erlangen. Es geht darum, mit einfachen Fragen und automatischen Antworten, die in der Stille auftauchen, über die Maschinerie des Geistes hinauszugehen. Es geht darum, dem Zeugen zu erlauben, zu bezeugen, was in uns und um uns herum geschieht. Ganz einfach.

Wenn es zu mentaler Anstrengung kommt, wissen wir, dass etwas Nicht-Beziehungsvolles vor sich geht und wir können unsere Praxis selbstabstimmen, um angenehm voranzukommen. Wenn starke Emotionen aufkommen, wissen wir, dass wir die Kluft zwischen einem beziehungsvollen und einem nicht-beziehungsvollen Leben herausfordern. Wir werden diese Kluft überwinden. Wenn wir das tun, werden wir das gelobte Land betreten, in dem alles, was wir tun, in der Stille beziehungsvoll ist. Es ist das Leben, das sich als Stille in Handlung ausdrückt.

Beim nächsten Mal wollen wir uns einige Arten der Selbstergründung ansehen und wie wir die Kluft überbrücken können.

Der Guru ist in dir.