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Lektion 359 - Pratyahara - Das vergessene Glied des Yoga?

Von: Yogani
Datum: 07.09.2009

Neue Besucher: Es wird empfohlen, das Archiv von Anfang an zu lesen, da die vorherigen Lektionen Voraussetzung für diese Lektion sind. Die erste Lektion lautet: "Warum diese Erörterung?"

F: Ich habe den Eindruck, dass die Anhaftung an Sinneswahrnehmungen der Kern unserer Unwissenheit und unseres Leidens ist. Das könnte erklären, warum "Pratyahara" als eines der acht Glieder des Yoga hervorgehoben wird. Dennoch scheint es in den Yoga-Praktiken nur sehr wenig zu geben, das direkt auf diesen Bereich ausgerichtet ist. Deshalb frage ich mich, ob Pratyahara das vergessene Glied des Yoga ist. Was denkst du darüber?

A: Pratyahara, das fünfte Glied des Yoga, wird normalerweise mit "Zurückziehen der Anhaftung an Sinneswahrnehmungen" übersetzt. Es gibt zwei Arten, wie man das betrachten kann.

Die erste ist eine allmähliche Entwicklung der Aufmerksamkeit hin zu den feineren Bereichen der Erfahrung, in denen die Sinneswahrnehmungen ekstatischer werden und auf natürliche Weise von reinem Glückseligkeitsbewusstsein durchdrungen sind. In diesem Fall ist der Prozess des Pratyahara ein natürliches Nebenprodukt der Entstehung von beständiger innerer Stille und ekstatischer Leitfähigkeit.

Eine zweite Art ist, Pratyahara als einen Aspekt der Selbstergründung zu betrachten, der dazu dient, den Griff des identifizierten Bewusstseins auf alle Wahrnehmungsobjekte zu lockern, einschließlich Gedanken, Gefühle und sensorische Erfahrungen, die im Bewusstsein registriert werden. Diese zweite Sichtweise von Pratyahara ist weiter verbreitet. Weil die Psychologie von Pratyahara scheinbar direkter ist, greift der Verstand zu. Leider ist die Psychologie des Pratyahara ohne die vorherige Kultivierung einer beständigen inneren Stille (des Zeugen) wie die Psychologie der verfrühten Selbstergründung, die wir in vorherigen Lektionen als "nicht-beziehungsvoll" (nicht in Stille) bezeichnet haben, anfällig dafür, geistige Luftschlösser zu bauen.

Alle Glieder des Yoga sind miteinander verbunden, und die Reihenfolge, in der wir an sie herangehen, kann die Art und Weise, wie die Verbindungen zustande kommen, und die Effektivität jeder einzelnen Praxis stark beeinflussen. Das Wissen darüber und die direkte Erfahrung damit in der selbstgesteuerten Praxis können Pratyahara viel deutlicher in den Fokus rücken, nicht als "vergessenes Glied", sondern als Treffpunkt von innerer Stille und ekstatischer Leitfähigkeit, mit weiteren Fortschritten, wenn diese beiden Säulen der Erleuchtung in unserem täglichen Leben verschmelzen.

Bei AYP beginnen wir damit, wie wir Pratyahara definieren. Wir definieren es zunächst als eine "Introversion der Sinneswahrnehmung" (siehe Lektion 149). Ein allmählicher Ansatz, um die Sinneswahrnehmung und unsere Beziehung zu ihr zu verändern, anstatt zu versuchen, sich sofort von ihr zu lösen (zurückzuziehen), ist ein viel praktischerer Ansatz für Pratyahara. Mit Tiefenmeditation und Spinalatmung (Pranayama) beginnen wir schon früh mit der Verfeinerung der Sinneswahrnehmung. Wenn wir später zu Samyama, Mudras, Bandhas und anderen Methoden übergehen, die das Entstehen von innerer Stille und ekstatischer Leitfähigkeit fördern, wird sich unsere Sinneswahrnehmung entsprechend weiter verfeinern. In dem Maße, in dem wir zum unbeweglichen Zeugen werden und gleichzeitig sensorische Erfahrungen als ekstatisch erkennen (Kundalini-Aspekt), neigen wir ganz natürlich dazu, uns auf eine "beziehungsvolle" (in Stille) Selbstergründung einzulassen. Das ist der Punkt, an dem der "Rückzug der Anhaftung an Sinneswahrnehmungen" einsetzt und wir jenseits der Vorstellungen des Geistes wirkliche Erfahrungen machen können. In einem praktischen Ansatz wie diesem hat Pratyahara zwei Stufen:

- Die Verfeinerung (Introversion) der Sinneswahrnehmungen durch die neurobiologischen Prozesse des Yoga.

- Die Transzendenz der Sinneswahrnehmungen (Rückzug der Anhaftung) durch beziehungsvolle Selbstergründung.

Wie wir bereits in vorherigen Lektionen erörtert haben, hängen eine effektive Selbstergründung und damit auch Pratyahara von der Kultivierung einer beständigen inneren Stille und ekstatischen Leitfähigkeit in unseren sitzenden Kernpraktiken ab und sind eng mit unserer Bhakti und der kultivierten Gewohnheit des Samyama (der Fähigkeit, Absichten und Ergründungen in der Stille hinzugeben) verwoben. Pratyahara ist also ein Ort, an dem all diese Aspekte unserer Entfaltung zusammenkommen. 

In der Stille sind wir in der Lage, uns jenseits aller Anhaftungen zu bewegen, auch während wir die Stille auf natürliche Weise, in einem ständigen Ausströmen göttlicher Liebe, wieder in unsere alltäglichen Aktivitäten integrieren. Das Leben als Stille in Handlung zu leben, ist die Erfüllung aller Wege der spirituellen Praxis. Eine wirksame ganzheitliche Integration der Schlüsselelemente der Praxis macht den Unterschied. 

Der Guru ist in dir. 

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